Freitag, 30. Mai 2014

Dostojewksij über Tiere

"Brüder, fürchtet euch nicht vor der Sünde des Menschen, liebt den Menschen auch in seiner Sünde, denn nur eine solche Liebe wäre ein Abbild der Liebe Gottes und die höchste irdische Liebe. Liebet die ganze Schöpfung Gottes, das ganze Weltall wie jedes Sandkörnchen auf Erden. Jedes Blättchen, jeden Lichtstrahl Gottes liebet. Liebet die Tiere, liebt die Gewächse, liebet jegliches Ding. Erst wenn du jedes Ding lieben wirst, wird sich dir das Geheimnis Gottes in den Dingen offenbaren. Hat es sich dir aber einmal offenbart, dann wirst du es bereits unablässig immer weiter und immer mehr und Tag für Tag erkennen. Und zu guter Letzt wirst du die ganze Welt schon mit ungeteilter, allumfassender Liebe lieben. Liebet die Tiere: ihnen hat Gott den Anfang des Denkens und harmlose Freude gegeben.Trübet sie ihnen nicht, quält sie nicht, nehmt ihnen nicht die Lust am Dasein, handelt nicht dem Gedanken Gottes zuwider. Du Mensch, sei nicht überheblich den Tieren gegenüber: sie sind sündlos, du aber in all deiner Herrlichkeit, du versetzest die Erde in Fäulnis und Eiter mit deinem Erscheinen auf ihr und läßt hinter dir die Spur der Verwesung zurück – und leider tut das fast jeder von uns! Besonders aber liebet die kleinen Kinder, denn auch sie sind sündlos, gleich den Engeln, und sie leben zu unsrer Rührung, zur Reinigung unserer Herzen und wie zu einer gewissen Belehrung für uns. Wehe dem, der Kindlein kränkt!"
(Worte des Staretz Sossima aus "Die Brüder Karamasow" von F.M. Dostojewskij)

3 Kommentare:

  1. U.a. Dostojewski beschäftigte der Gedanke, dass das Tier in der philosophischen Betrachtung des Glücks eine zentrale Rolle spielt. Sie ziehen den Vergleich auf, dass im “Zurück zur natürlichen Selbstvergessenheit des Tieres” die Zufriedenheit des [nicht nur] Menschen liegt.
    Der unglückliche Mensch – und nur ihn quält ja die Frage nach dem Glück – wendet sich gedanklich gern dem Tiere zu. Er wünscht dich die Freiheit eines Vogels (Erasmus), die Genügsamkeit einer Kuh (Nietzsche), und in düstersten Momenten die Gelichgültigkeit eines Insektes (Dostojewski).
    Dem Impuls, sich das Tier zum Vorbild einer glückserfüllten Existenz zu nehmen, folgt auch der amerikanische Philosoph John Dewey, wenn er schreibt: “Das Verhalten von Fuchs, Hund und Drossel mag uns an jene ganzheitliche Erfahrung erinnern, die wir zerbrechen, wenn unser Tun zur mühevollen Arbeit wird, und wenn uns das Denken von der Welt hinwegführt.”
    Unglück ist nach dieser Beschreibung der Verlust von Gegenwärtigkeit – von Präsenz. Das Tier hingegen, führt Dewey aus, “ist in allen seinen Aktionen voll präsent … Darin liegt jene Anmut des Tieres, mit der der Mensch nur schwerlich konkurrieren kann.”

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  2. Und genau in dieser "Präsenz und Gegenwärtigkeit" des Tieres liegt wohl auch die Tatsache begründet, dass ein Tier Unglück und Schmerz nicht nur ebenso wie ein Mensch empfindet, sondern wohl sogar schlimmer, da es seine Bedürfnisse nicht in die Zukunft verschieben kann oder sie aus der Erinnerung speisen kann. Was aber nicht heißt, dass Tiere grundsätzlich nicht in die Vergangenheit oder Zukunft denken können. Denn "fehlendes Konzept von Zukunft wird gerne als Rechtfertigung herangezogen, dass Tiere getötet und verspeist werden dürfen. Dass Tiere sehr wohl planend in die Zukunft handeln wird unter anderem auch bei Martin Balluch "Koninuität von Bewusstsein" erörtert.

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  3. Schon allein der Tatsache innewohnend, das Leben eines jeden Menschen und Tieres als Existenz (Existenz = lat.; ex sistere = hervor treten) angesehen wird, also "Leben" ein Vollzug des existieren überhaupt ist, ist die Ausrichtung auf das WOHER zum WOHIN beiderlei Erscheinungsformen unumgänglich.

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